Montag, 21. April 2014

Unser Leben mit einem autistischen Kind / Teil 1

Hallo ihr Lieben,

ich melde mich gerade aus meinem Oster-Urlaub.
Eigentlich dachte ich, dass unser Internet schon abgeschaltet wurde aufgrund unseres anstehenden Umzuges - aber es war wohl einfach nur eine vorübergehende Störung.
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Ich nutze den Abend nun für ein Thema, welches mich nun ziemlich auf den Tag genau seit einem Jahr begleitet.
Ich wollte für euch eigentlich einen schönen Post vorbereiten, mit bunten Bildern von unserem Wochenende, aber mir ist gerade nicht wirklich danach.
 
Ich habe hin und her überlegt ob ich es hier überhaupt thematisieren soll und habe mich nun letztendlich dafür entschieden weil es einfach ein großer Teil unseres Lebens ist und uns einfach täglich begleitet.
Zudem muss ich mich jetzt gerade auch wieder intensiv mit allem beschäftigen, da wir ab kommender Woche wieder Termine im SPZ (sozialpädiatrisches Zentrum) haben.

Außerdem möchte ich aufklären und anderen Betroffenen Mut machen.
Ich werde unsere Geschichte in mehren Teilen verfassen, alles andere würde den Rahmen völlig sprengen.

Vor exakt einem Jahr erfuhren wir, dass unser Levi ein autistisches Kind ist. 

Ich werde nun versuchen zu schildern wie alles begann und wie es vom bloßen Verdacht zur Diagnose kam und zu dem Punkt an dem wir heute sind.

Als Levi im November 2009 geboren wurde (er kam per Kaiserschnitt auf die Welt) ahnten wir natürlich noch nicht im Geringsten, auf Welche harte Probe wir noch als junge Eltern gestellt werden würden.

Die ersten 3 Lebensmonate vergingen, danach stellte ich zunächst kleinere Dinge fest, die mich etwas stutzig machten.
Wenn ich ihn ansprach schien es mir, dass er mich nicht hören würde. Es war als schaue er durch mich hindurch - als wäre eine unsichtbare Wand zwischen uns.
Auch in späteren Monaten/Jahren reagierte er sehr sehr schlecht auf Ansprache, ich musste ihn teilweise bis zu 8 mal direkt ansprechen, ehe er reagierte.

Mit einem Jahr kam Levi in die Kita.
Wir hatten eine sehr lange Eingewöhnungsphase (6 Wochen) ehe er sich von mir lösen konnte.

Wir mussten morgens immer mit einem Fahrstuhl zu den oberen Räumen in denen er betreut wurde fahren. 
Dieser Fahrstuhl hatte für meinen 1 jährigen damals schon eine enorme Anziehungskraft - ganz besonders die elektrischen Türen.

Ich habe dann gemerkt das er das Fahrstuhlfahren als sein morgendliches Ritual nutze. Immer wieder auf die gleiche Weise forderte er das Fahrstuhlfahren von mir ein. Ich merkte wie es ihm scheinbar Sicherheit gab und wie es ihn innerlich fast zerriss als der Fahrstuhl einmal defekt war - für ihn schien es wie ein Weltuntergang und ich verstand die Welt nicht mehr.

Levi schlief die Nächte noch nicht durch. 
Ich habe mir deswegen noch keine großen Sorgen gemacht, er war ja noch so klein und das würde sich noch einspielen.
Das was ich jetzt schildere ist eines meiner absolut härtesten Erfahrungen, die ich in meinem Leben je machen musste.
Aus meiner anfänglichen Annahme, dass es sich schon irgendwann "verwachsen" würde, wurde leider nichts, sondern es manifestierte sich eine sehr schwere Schlafstörung.
Das Einschlafen klappte meist problemlos, nach ca. 2 Stunden wachte er dann auf und hatte ab da Wachphasen die 5-6 Stunden gingen.

Oftmals war er von 0.00 Uhr - 5.00 Uhr morgens wach, oder er war um 2.00 uhr wach und ist dann auch gar nicht mehr eingeschlafen.

So konnte ich ihn auf gar keinen Fall in die Kita geben, und ich auch nicht auf die Arbeit gehen-was mir natürlich extreme Schwierigkeiten bescherte.

Wenn ich daran denke fließen mir wieder die Tränen.
Ich erinnere mich zurück, wie ich nachts stundenlang auf dem Fußboden neben dem Gitterbett saß und mein Kind einfach nicht einschlief. Er schien hellwach, tobte, turnte, lachte. Ich saß daneben und weinte.

Andere Mütter versuchten mich aufzubauen. "Es sei nur eine Phase".

Nach EINEM Jahr mit dieser Schlafstörung war ich völlig am Ende. Ich hatte auch nahezu alles ausprobiert, nichts half.
Tagsüber war Levi noch zusätzlich so fordernd, dass ich das Gefühl hatte ich würde ihm nicht zu einem Prozent gerecht werden können.

Ich zweifelte an mir. 
Was mache ich nur falsch?

Er war so unglaublich unruhig, was sich auch auf mich übertrug. Es war kaum auszuhalten.

Unser erstes wirkliches "Schlüsselerlebnis" hatten wir dann bei einem einfachen Impftermin beim Kinderarzt.
Levi ist dort wort wörtlich die Wände hochgegangen.
Ich beschrieb zu Anfang ja schon seine Faszination für Schiebtüren (und generell Türen)
Im Behandlungszimmer war er nicht davon abzubringen ständig die Tür zu öffnen und zu schließen. Er machte dieses auf eine ganz penetrante Art und Weise, wir haben ihn nicht davon abbringen können. Immer wieder ist er zu der Tür hin, öffnete sie und schloss sie wieder.
Als ich ihn dann versucht habe dort wegzutragen gab es einen schlimmen Tobsuchtanfall - er schrie, schlug um sich, und krampfte. Er bekam kaum Luft. Es dauerte nahezu eine ganze Stunde bis wir ihn beruhigt haben. Bzw. es war keine Beruhigung. Es war die pure Resignation von seiner Seite aus, weil er mit seinen Kräften völlig am Ende war.
Unser Kinderarzt war unglaublich schockiert und konnte nicht glauben was sich abspielte.
Er rief meinen Mann an, er müsse umgehend unseren Sohn abholen kommen.

Ich stand unter Schock. Als mein Sohn abgeholt wurde und ich mit dem Kinderarzt alleine war liefen mir nur noch die Tränen und ich brachte keinen Ton mehr heraus.
Ich konnte mich selbst gar nicht mehr beruhigen und hatte den totalen Nervenzusammenbruch.

Ich schilderte dann nun auch was sich bei uns zu Hause abspielt. Die Schlafstörungen, die starke innerliche Unruhe, dass er sich auch nicht wirklich mitteilen könne weil er noch kein einziges Wort sprach und das ich es nicht schaffe an ihn heranzukommen. Levi war zu dem Zeitpunkt übrigens knapp 2 Jahre alt.

Und ich sprach das aus was ich mir (zu) lange Zeit nicht eingestehen wollte :
ICH BRAUCHE HILFE. DRINGEND.



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das war unser erster Teil - wie es von da an weiterging schildere ich in dem nächsten Kapitel.
Ich wusste nicht wie ich mich fühlen würde wenn ich dieses hier verfasse.
Aber es ist gut - ich fühle mich gerade wirklich besser. 
Als wenn ich für mich nochmal alles aufarbeite und vor allem verarbeiten würde. Schön, dass ihr mich begleitet!
Ich bin mir sicher, dass ihr über den weiteren Verlauf überrascht sein werdet!

1 Kommentar:

  1. Wow ! Ich kann jedes Wort quasi fühlen & ich verstehe dich vollkommen . Vorallem die Schlafstörungen die sind der totale Horror . Ich lese sehr gern weiter denn ich habe auch einen Autisten und es spiegelt sich einiges wieder ;)

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