Montag, 9. Juni 2014

Unser Leben mit einem autistischen Kind Teil 4 - Das Leben nach der Diagnose

Hallo ihr Lieben,

ich freue mich wirklich wahnsinnig wieder schreiben zu können! 
Unser Umzug liegt nun seit einigen Wochen hinter uns und wir fangen uns langsam an einzuleben.

Bei uns ist wirklich ziemlich viel losgewesen in den letzten zwei Monaten - positiv wie negativ.
Die Euphorie des Umzuges, der dazugehörige Stress, viele Termine, Gesundheitlich war's nicht so doll, unser Auto ist dann noch kaputt gegangen und und und.
Aber ihr kennt das sicherlich - wenn dann kommt alles auf einmal, nicht wahr?

Hier nun meine Fortsetzung von meinem Bericht, ich habe mich auf diesen Teil besonders gefreut, weil das was ich jetzt schildere mich unglaublich glücklich macht.

Wie im letzten Teil geschrieben, bekamen wir dann also letztendlich die eindeutige Diagnose : Autismus.

Man unterscheidet bzw. unterschied zwischen verschiedenen Autismusformen um besser kategorisieren zu können.
Mittlerweile geht man aber immer mehr davon weg zwischen verschiedenen Formen zu unterscheiden, sondern es wird alles unter dem Begriff "Autismusspektrumsstörung" geführt.

So verschieden Kinder unter sich auch sind, so sind es eben auch autistische Kinder.

Ich fragte unsere Psychologin trotzdem damals wo sie ihn einordnen würde.
Sie antwortete dann, dass Levi "frühkindlichen Autismus" oder auch "Kanner-Autismus" hätte.
Allerdings gibt es bei ihm keine Intelligenzminderung, somit ist die korrekte Bezeichnung dann High-Functional Autism. Also quasi hochfunktionaler Autismus.

Ich erinnerte mich noch genau an die Rücktour aus dem SPZ.
Für uns war die Diagnosestellung ja DER absolut ultimative Befreiungsschlag.
Ich rief meine Eltern an, ich rief meine Oma an...einfach nur mit den Worten: Wir wissen ENDLICH bescheid.

Dieser Tag änderte unser Leben um 180 Grad.
Es war wie eine Wiederauferstehung.
In meinem Kopf kreisten 1000 Gedanken die ich erstmal sortieren musste und suchte im Freundeskreis und der Familie nach Gesprächspartnern.

Nebenbei begann ich sofort mich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Ich wollte ALLES über Autismus wissen. Ich bin der Meinung, dass ich nur so einen Zugang zu meinem Sohn finden konnte, weil man zusammenhänge besser versteht.

Zu Hause schmiedeten mein Mann und ich Pläne, wie wir mit der Vergangenheit abschließen konnten und wie wir es schaffen könnten uns das Leben erträglicher zu machen.

Wir begannen alles bis aufs kleinste Detail durchzustrukturieren, feste Abläufe einzuspielen und Rituale zu manifestieren.


Wir merkten sofort das Levi dieses sehr dankend annahm und dann unsere Rituale auch einzufordern.
Es war uns wichtig, dass es Rituale sind, die uns im Alltag helfen.
Am Tisch wurde ein Tisch-Spruch eingeführt und wenn wir mit dem Essen fertig waren ebenso ("Wir klatschen in die Hände - Das Essen ist zu Ende")
Ihr glaubt ja gar nicht wie Levi sich gefreut hat wenn er diese Dinge die er kannte plötzlich wieder hörte. Es gab ihm ganz ganz viel Orientierung.

Wir merkten eines Tages, das Levi sehr extrem auf Visualisierung reagierte.
Jegliches Reden "Nein, das darfst du nicht weil blablabla" war Vergebens und prallte einfach an ihm ab.
Wir begannen mit Bildkarten und pregnanten Symbolen zu arbeiten:



Bei diesem Zeichen wusste er GANZ genau was los war und begriff es sofort!

Wir haben es sogar geschafft seine Schlafstörungen fast komplett auszuschalten.
Zum 4. Geburtstag ließen wir uns eine spezielle Lampe schenken.
Eine MyBuddy Nachtlampe von der Firma Philips.

Die Funktioniert so, dass man zur Schlafenszeit es so einstellen kann, dass ein Mond aufleuchtet.
Man programmiert dann die Aufstehzeit und wenn diese erreicht ist erscheint dann eine Sonne.
Somit wusste Levi genau wann er nun aufstehen durfte.




Ich muss noch dazu erklären, dass Levi keine Tageszeiten unterscheiden kann. Er weiß nicht ob wir morgens, mittags, abends oder nachts haben - sprich er ist völlig orientierungslos und hat sich bisher immer mit den jeweiligen tagesgeschehnissen orientiert.
Also wenn Papa aus dem Haus ging wusste er, dass es gleich los in den Kindergarten geht.

Eines Abends ging Mein Mann mal zu einer Firmenfeier, verabschiedete sich von uns, und nach 2 Minuten stand Levi dann mit seinem Kindergartenrucksack an der Haustür.

Es vergingen Wochen und Monate und mit jedem einzigen Tag wurde unsere Situation besser und besser.
Wir merkten das Levi die neuen Strukturen zu Hause und das bessere Verständnis unsererseits ihm unheimlich gut taten.

Im ersten halben / dreiviertel Jahr hab ich noch immer viel geweint.
Manchmal wusste ich gar nicht genau warum. Wahrscheinlich einfach weil so nach und nach die Anstrengungen der letzten Jahre immer mehr hochkamen.
Aber das war okay so. Ich hab meinen Gefühlen dann auch das Ventil zum abfließen gegeben.

Mittlerweile kann ich behaupten, dass wir einfach nur noch bedinungslos glücklich sind.
Und zwar nicht nur wir als Eltern, sondern auch Levi.
In dem einen einzigen Jahr hat er wirklich unglaubliche Fortschritte gemacht - gerade in der sozialen Entwicklung her.
Vor wenigen Wochen waren wir wieder zur Wiedervorstellung bei der gleichen Psychologin und auch sie war unglaublich angetan über seinen Fortschritt.

Mittlerweile sehen wir Autismus mit völlig anderen Augen.
Es ist absolut NICHTS rein gar nichts, was das Leben weniger lebenswert macht.
Im Gegenteil.
Unser Sohn hat uns Dinge aufgezeigt und unseren Horizont um hunderte Kilometer erweitert.

Ich habe mir nun schon oft lächelnd gesagt, dass wir doch als Eltern eigentlich dazu da sind ihm unsere Welt zu zeigen.
Aber er zeigt uns jeden Tag immer wieder aufs neue seine Welt.
Man muss sich einfach nur darauf einlassen und vergessen was man vorher als "normal" definierte.

Wir haben es geschafft uns als Familie gemeinsam aus einer Schlinge zu ziehen. Das macht uns unheimlich stark.

Ich habe mittlerweile zu Levi ein extrem inniges Verhältnis. Wir verstehen uns blind - auch wenn wir beide eigentlich völlig verschieden sind.

Und ist es nicht genau DAS was das Muttersein - egal ob mit einem Kind mit Behinderung oder nicht- so völlig ausmacht? Wie ein unsichtbares Band welches einen einfach so unglaublich erfüllt.

Wir haben uns ein Familienleben erkämpft und da sind wir so stolz drauf!
Wir können den Tag mit unseren Kindern am Strand genießen, ohne das wir als Eltern dabei nen Nervenzusammenbruch erleiden. Alles völlig fast normal und viel wichtiger: HARMONISCH!

Ich möchte anderen Eltern die das gleiche durchmachen wie wir damals Mut machen, dass es sich lohnt immer für sein Kind und die Familie zu kämpfen!

Zum Abschluss habe ich noch ein paar Bilder für euch:

Mittlerweile sind Autowaschanlagen sein zweites großes Spezialinteresse und er klaut mir dazu immer meinen Wischmopp um die Waschanlage nachzuspielen. So sitzt er gerne stundenlang und summt vor sich hin.



Levi kann Nähe von uns und seiner Schwester gut zulassen. Die beiden waren sowieso immer schon ein Herz und eine Seele.





Ist das nicht schön? Levi spielt völlig ruhig und gelassen am Strand und läuft nicht mehr weg.



Ausnahmsweise mal ein Foto mit Gesicht. Ich musste es euch einfach zeigen weil man einfach ganz deutlich sieht wie glücklich er ist.



So, das wars von mir erstmal dazu.
Einige Aspekte beleuchte ich vielleicht nochmal etwas genauer.
Eventuell gibts noch was, was euch hierbei brennend interessiert?
Lasst es mich ruhig wissen! 

Ich wünsch euch einen schönen Rest-Pfingst-Montag und bis bald!

Katharina



1 Kommentar:

  1. Schön zu lesen, dass es euch besser geht!
    Ich habe Tränen in den Augen, vor Rührung. Ich wünsche Levi und euch nur das Beste! ♥
    Viele liebe Grüße, Xenia

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